Rezensionen, Romane
Kommentare 6

Tom Cooper – Das zerstörte Leben des Wes Trench

Die Barataria Bay, benannt nach dem fiktiven Gebiet, dessen Herrscher Don Quichotes treuer Begleiter Sancho Panza in Cervantes’ Roman ist, hat wenig mit dem Glamour amerikanischer Großstädte gemein. Das Gelände im Südosten Louisianas ist sumpfig, die Temperaturen hoch, die Menschen einfach. Seit Hurrikan Katrina und der Ölkatastrophe um die Bohrplattform Deepwater Horizon ist das Leben härter und hoffnungsloser geworden. In der Kleinstadt Jeanette laufen die Erzählstränge mehrerer Protagonisten zusammen. Sie alle sind gezeichnet von den Widrigkeiten der Region und ihrem eigenen Scheitern.

Es gibt Orte, die Kraft spenden und Enrgiereserven auffüllen. Und es gibt Orte, die in ihrer Beschaffenheit einem Parasiten ähneln, der einem auch noch die letzte Lebenskraft aus den Knochen saugt. Das Sumpfgebiet Louisianas rund um die Kleinstadt Jeanette ist so ein Ort. Morastig, heiß, hoffnungslos, korrupt und ausgestorben. Wer kann, der schlägt andere Wege ein und weicht von den alten Traditionen ab, die im Küstenort vor allem im Fang von Meeresfrüchten bestehen. Doch seit der katastrophalen Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon sinken die Absätze für die Shrimpfischer. Meeresfrüchte aus dem Golf von Mexiko gelten als verseucht, die Fischer müssen immer mehr arbeiten für einen Hungerlohn. Inmitten dieser Trostlosigkeit wird Fischer Lindquist seine 30.000 Dollar teure Armprothese gestohlen. Sowieso ist er ein armer Hund, trägt immer einen PEZ-Spender mit Schmerzmitteln bei sich, aus dem er sich mehrmals stündlich bedient und lebt getrennt von seiner Frau in einer heruntergekommenen Hütte. Bloß seine Tochter besucht ihn gelegentlich, wenn sie Geld braucht.

Sie fingen Shrimps und Krabben. Sie wilderten Alligatoren wegen ihres Leders, fingen Bisamratten und Nutria wegen ihrer Fälle. Das war noch zu Zeiten der Großeltern und Urgroßeltern, bevor alle in den Zwanzigern und Dreißigern ihr Land für ein paar Pennys an die Ölgesellschaften verscherbelten und sich BP mit ihren Kanälen und Pipelines ins Marschland fraß.

Grimes, ursprünglich aus der Gegend stammend, ist im Auftrag von British Petroleum zurückgekehrt, um die geschädigten Fischer zu einem Ausgleich zu überreden, der dem Unternehmen den Hals aus der Schlinge ziehen soll. Wes Trench kam mit seinem Vater nach dem Hurrikan Katrina aus New Orleans, gezeichnet durch den Verlust seiner Mutter, den er seinem Vater noch immer nicht verziehen hat. Als Shrimpfischer hat auch Wes’ Vater unter den schwindenden Abnehmern zu leiden, er wird immer jähzorniger und unzugänglicher. Gleichsam als kriminelle Spiegelbilder stehen die harmlosen Gauner Cosgrove und Hanson den stadtbekannten Brüdern Toup gegenüber, die draußen im Sumpf nicht nur gelegentlich Menschen verschwinden lassen, sondern auch eine stattliche Marihuana-Plantage bewirtschaften. Sie alle verbindet Hoffnunglosigkeit und Verlust. Auf ein besseres Leben hofft hier kaum noch einer. Erst wurde ihre Gegend geplündert und geschändet, von der Profitgier der Menschen und den Kräften der Natur; nun, so könnte man meinen, rächt sich die Gegend an den Menschen. Und die Menschen sich aneinander, ganz gleich, ob schuldig am Elend oder nicht. Im Original trägt Coopers Debütroman den Titel “The Marauders”, zu deutsch “Die Marodeure” oder “Die Plünderer”, was deutlich passender gewesen wäre als der um Erklärung und Deutung bemühte deutsche Titel.

Was sollte man aber auch von einem Außenposten der Zivilisation erwarten, der von Gesetzlosen und Zigeunern aus dem Sumpf notdürftig zusammengeschustert war? (…) Man braucte sich nur die Beweise anzuschauen. Beamte, die mit Staatsgeldern im Gefrierschrank und Nutten im Bett erwischt wurden. Kandidaten zum Amt des Gouverneurs, die im Gefängnis endeten. Gelder aus Hilfsfonds, die für Swimmingpools, Sportwagen und Palomino-Ponys vergeudet wurden.

Weder steht Wes Trench im Mittelpunkt, noch ist er der einzige, dessen Leben erheblichen Schaden genommen hat. Ihn unterscheidet von den anderen einzig sein junges Alter und die Chance, umzukehren, bevor Jeanette sich mit Haut und Haaren seiner bemächtigt hat. Die Kapitel konzentrieren sich jeweils auf einen der Akteure – Wes, Lindquist, Grimes, Gosgrove und Hanson oder die Brüder Toup -, gegen Ende überschneiden sich einige Erzählstränge in einem rasanteren Countdown. Es erstaunt nicht, dass sich Nic Pizzolatto, Autor der Serie True Detective, lobend über den Roman auslässt. Auch die erste Staffel der Erfolgsserie spielt in den Sumpfgebieten Louisanas, in dessen drückender Schwüle manch Erschreckendes lauert. Vor diesem Hintergrund erscheint Coopers Ende beinahe heiter, jedenfalls seltsam fremdkörperlich nach einigen hundert Seiten, die wenig Anlass zur Hoffnung geben. “Das zerstörte Leben des Wes Trench” ist schwerfällig, mehr verletztes Tier als Pageturner. Das tut der Freude allerdings in diesem Zusammenhang wenig Abbruch, passt es doch zur Gesamtstimmung des Romans. Unerbittlich, düster, verkommen – ein spannendes Debüt!

"buchhandel.de/Tom Cooper – Das zerstörte Leben des Wes Trench
Aus dem Amerikanischen von Peter Torberg
ullstein Verlag,
384 Seiten
22,00 €

Bestellen bei:
Buchhandel.de

Weitersagen

6 Kommentare

  1. Pingback: [Literaturen] Tom Cooper – Das zerstörte Leben des Wes Trench – #Bücher

  2. Pingback: Rezension Das zerstörte Leben des Wes Trench von Tom Cooper – buchbunt.blog

Schreibe einen Kommentar zu Inga Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert