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Truman Capote – Erhörte Gebete

Es sollte sein opus magnum werden, sich an Proust messen und Gesellschaftsporträt der Reichen und Schönen sein. Bei seinem erstmaligen Erscheinen im Esquire 1976 wurde allerdings schnell klar, dass sich Truman Capote, der in den Kreisen der High Society bis dahin ein gern gesehener Gast gewesen war, für viele zu einer persona non grata entwickelte. ,Erhörte Gebete’ wurde nie beendet.

Veröffentlicht wurden letztlich – auch in dieser Ausgabe – drei Kapitel des Gesamtwerks. Zwar sagte Capote seinem Verleger immer wieder, er habe noch mehr geschrieben, gefunden wurde jedoch nach seinem Tod nichts. (Yachten und dergleichen gehörte als Kapitel ursprünglich einmal dazu und wurde mit anderen Erzählungen separat veröffentlicht) Es ist bis heute unklar, ob Truman Capote das nur unter dem steigenden Druck des geschlossenen Vertrages behauptete oder ob bis heute tatsächlich in einem unbekannten Bankschließfach womöglich Teile des Manuskripts unberührt ihrer Entdeckung harren. Gegenstand der Suche jedenfalls sind die vermeintlich verlorenen Kapitel noch immer. Spätestens nach seinem Tatsachenroman ,Kaltblütig‘ war Truman Capote in aller Munde und schon vorher gern gesehener Partygast der New Yorker Upper Class. Er war unterhaltsam, scharfzüngig, eloquent; jemand, an dessen Lippen man hing, wenngleich er auch seiner offen gelebten Homosexualität wegen nicht bei allen so beliebt gewesen sein dürfte. In dieser Position wurde Capote selbstverständlich Zeuge zahlloser Gespräche, Intrigen und Verwerfungen, die er alle säuberlich in einem Notizbuch notierte; wohl auch in der Absicht, sie eines Tages literarisch zu verwerten.

Bald nach unserer Hochzeit entdeckte ich, dass es einen guten Grund gab, warum ihre Augen immer solch eine wunderbar schwachsinnige Gemütsruhe ausstrahlten. Sie war nämlich schwachsinnig. Oder nahezu. Jedenfalls hatte sie das Pulver nicht erfunden.

Erzähler in ,Erhörte Gebete‘ ist der Masseur, Callboy und mehr oder weniger ambitionierte Autor P.B. Jones; offensichtlich ein etwas aufgeblaseneres Alter Ego von Capote selbst. Ein Mann, der wenig Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer nimmt und ihnen, wie ihren Geschichten, mit einer Mischung aus Geringschätzung und Arroganz begegnet. P.B. Jones berichtet nun in loser Folge von seinen Treffen mit Schönen und Reichen, mit alternden und verschrobenen Bestsellerautoren, mit solchen, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung schon längst die Verbindung zum normalen Leben verloren haben. Es sollte Proust sein und endet in Teilen stattdessen wie ein Bühnenstück von Edward Albee. Wer schläft mit wem und wie oft? Wer heiratet wen und warum? Welche geheimen Sehnsüchte oder Schrulligkeiten versucht die bessere Gesellschaft hinter ihrer trostlosen Eleganz zu verbergen? P.B. Jones ist sowohl Klatschbase als auch traurige und einsame Gestalt. Darin dürfte er Truman Capote sehr ähnlich sein.

(…) und es gibt zumindest zwei Situationen, in denen man einen Talisman nicht opfert: wenn man nichts hat und wenn man alles hat – beides ein Abgrund.

,Erhörte Gebete’ ist ein Feuerwerk der Bösartigkeit vor dem Hintergrund so bekannter Gesichter wie Dorothy Parker, Jackie Kennedy, Jean-Paul Sartre, Albert Camus, Christopher Isherwood, Mrs. Saroyan Matthau und Gloria Vanderbilt. Manche Figuren sind verfremdet oder ein Produkt aus mehreren Personen gleicher Couleur – wie die verführerische Kate McCloud (eines der Vorbilder für sie war Mona von Bismarck), andere hingegen stehen fraglos und ganz offensichtlich für sich selbst. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass die Veröffentlichung eines solchen Werkes auch für einen Autor wie Capote gesellschaftlichen Selbstmord bedeutete. Jetzt, wo doch jeder wusste, was mit seinen Geheimnissen und Erzählungen geschah, hatte freilich niemand mehr gesteigertes Interesse daran, Truman Capote noch einmal irgendwo einzuladen. Insofern ist ,Erhörte Gebete‘ also nicht nur das Sittenbild einer dekadenten Gesellschaftsschicht, deren zutiefst menschliche Züge plötzlich bloßliegen. Es ist auch die Dokumentation einer schleichenden Selbstzerstörung, die vermutlich bereits mit ,Kaltblütig‘ unbeabsichtigt ihren Anfang genommen hat. Ein zynisches, ganz und gar undiplomatisches und teils etwas vulgäres Buch, das vielleicht gerade deshalb so interessant und unterhaltsam ist.

Und Kate McCloud hat, wie wir alle wissen, zu dem Thema einiges zu sagen: wenn aus ihr so viele Stengel herausstehen würden, wie in sie hineingesteckt worden sind, dann würde die gute Kate aussehen wie ein Stachelschwein.

Truman Capote: Erhörte Gebete, aus dem Amerikanischen von Heidi Zerning, Kein & Aber Verlag, 240 Seiten, 9783036959276, 9,90 €

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