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Hans Herbert Grimm – Schlump

Der Erste Weltkrieg ist in diesem Jahr in aller Munde, 100 Jahre sind seit seinem Beginn vergangen. Beinahe jeder größere Verlag veröffentlichte in den letzten Monaten ein Buch zum Thema, überwiegend Sachbücher, aber auch den ein oder anderen Roman. Einen Roman wie Schlump, der nun wahrlich keine Neuerscheinung, sondern eine Wiederentdeckung ist. Erstmals 1928 veröffentlicht, konnte er sich bereits zu damaliger Zeit nicht gegen seinen größten Konkurrenten durchsetzen.

Es begann – so steht es auch im Buchumschlag – mit Volker Weidermanns Erwähnung in seinem ,Buch der verbrannten Bücher‘. Jahrzehntelang galt der Schlump als vergessen und verschütt gegangen, von seinem größten Konkurrenten ,Im Westen nichts Neues’ abgedrängt, von den Nazis mit unzähligen anderen Werken verbrannt. Es war nicht abzusehen, dass sich an seinem Verschwinden vom literarischen Horizont etwas ändern würde, nicht zuletzt auch deshalb, weil Hans Herbert Grimm sich bis nach Kriegsende nicht offen zu seiner Autorenschaft bekannte. Er fürchtete um sich, seine Lehrtätigkeit, sein Leben. Ursprünglich von Kurt Wolff verlegt, fristete der Schlump also ein Schattendasein – bis Volker Weidermann (,Ostende‘) ihn gemeinschaftlich mit Kiepenheuer & Witsch befreite.

Schlump, der eigentlich Emil Schulz heißt, ist siebzehn, als der Erste Weltkrieg ausbricht. Zunächst von derselben Kriegsbegeisterung gepackt wie ein großer Teil der Bevölkerung, setzt er sich über den Willen seiner Eltern hinweg und meldet sich freiwillig. Er hat ein sonniges und heiteres Gemüt, der Krieg kann ihn nicht schrecken. Schon deshalb nicht, weil er ihn zunächst in der französischen Kommandatur Loffrande verbringt. Als Kommandant unterstehen ihm das Dorf und seine Bewohner, für einen Siebzehnjährigen eine gewaltige Verantwortung. Aber er meistert sie. Schlump ist ein Sympathieträger in seiner Unbedarftheit, der Krieg ist weit entfernt.

Er hätte den Krieg vergessen, wenn nicht oft die Fenster so laut geklirrt hätten von den Kanonen, daß sie alle zusammenfuhren.

Doch auch Schlump wird noch die Gräuel des Krieges kennenlernen, die Unbarmherzigkeit des Schützengrabens, die Alptraumhaftigkeit des Gefechts an der Front. Er sieht seine Kameraden sterben, marschiert und hebt Gräben aus bis zur Besinnungslosigkeit, hungert, friert. In diesen Schilderungen treffen sich Grimm und Remarque, kein Heldenmut, nirgends. Nur schreiende Männer im Kanonenfeuer, fliegende Gliedmaßen, hervorquellendes Gedärm. Ein befreundeter Soldat umarmt im Gefecht einen Franzosen, während er die Handgranate scharf macht. Diese Erfahrungen sind zwar auch für Schlump einschneidend, beeinflussen ihn jedoch weniger als man erwarten könnte. Volker Weidermann schreibt selbst im Nachwort, es sei, als trage er ,ein Imprägniermäntelchen gegen diesen Krieg.’ Eines zwar, das hier und da Risse zeigt, insgesamt aber doch erstaunlich unbeschadet bleibt.

Von Westen her, von der Front, tönte bei gutem Wetter der Kanonendonner herüber und erinnerte sie daran, daß dort täglich Tausende von jungen Menschen auf grausamste Weise ums Leben kamen. Man mußte sich daran gewöhnen, solche Gedanken fernzuhalten.

Schlump wird verletzt, deliriert im Lazarett, wird wieder in andere Einheiten versetzt, flirtet mit allerlei jungen Mädchen, macht auf mehr oder weniger zwielichtigem Wege viele tausend Mark und verliert sie. Er ist ein Hans im Glück vor trauriger Kulisse. Stilistisch gesehen ist der Schlump sehr schlicht gehalten, inhaltlich auch. Von Kriegsgeschichten, wie wir sie kennen, unterscheidet Emil Schulz allenfalls sein Lebenswille, seine unbedingte Überzeugung, dass die Welt trotz allen Elends ein lebenswerter Ort ist. Das kann man charmant finden oder engstirnig, je nachdem, wie man selbst eingestellt ist. Gut möglich, dass zur damaligen Zeit eine Einstellung wie diese lebensrettend war, immer nach vorn schauen, nur nicht zurück, – höchstens kurz zur Seite, wenn es nicht anders geht. In Schlump steckt also etwas verklärend Märchenhaftes, das von der Realität gelegentlich aufgebrochen wird. Gut geschrieben, jedoch nicht überragend. Lohnenswert, aber kein Muss.

Hans Herbert Grimm: Schlump, Kiepenheuer & Witsch Verlag, 347 Seiten, 9783462046090, 19,99 €

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