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Marc-Uwe Kling – Die Känguru-Offenbarung

Marc-Uwe Kling ist Kleinkünstler. Mehrmaliger Gewinner der Deutschen Poetry Slam Meisterschaften. Liedermacher und Kabarettist. 2004 gründete er die Lesedüne. 2012 erhielt er den Deutschen Kleinkunstpreis. ,Die Känguru-Offenbarung’ ist das dritte Buch (nach ,Die Känguru-Chroniken’ & ,Das Känguru-Manifest‘) rund um den Kleinkünstler und das kommunistische Känguru und erscheint im ullstein Verlag.

Dieser Mann und sein Beuteltier sind ein Phänomen. Kaum einem anderen Künstler gelingt der Spagat zwischen Witz und Tiefsinn so galant, wer als Leser hier lediglich platte Albernheiten erwartet, wird entweder enttäuscht oder bemerkt die unzähligen geistreichen Anspielungen gar nicht, die sich in diesem  – überraschend seitenreichen – Werk verbergen. Nie war Gesellschaftskritik gleichzeitig so witzig und so pointiert, diese Lektüre ist nicht nur alternativ – sondern auch gänzlich konkurrenzlos. Es ist eine Satire-Bibel, eben die Heilige Schrift des Asozialen Netzwerks.

alternativlosIn kurzen Texten begleitet der Leser Marc-Uwe und das immer wieder auf’s Neue für den Untergrund getarnte Känguru um die ganze Welt – von New York über Los Angeles, von Ho-Chi-Minh Stadt bis nach Australien. Auf der Suche nach dem Pinguin, dessen bösartig neoliberaler Weltbeherrschungsplan unbedingt durchkreuzt werden muss. Auf bravouröse Weise werden hierbei gesellschaftliche Absurditäten entlarvt, kapitalistische Strukturen gesprengt – und das lächerlich gemacht, was im Grunde ohnehin bereits lächerlich ist.

“Sie haben mir mitgeteilt, dass Sie den Pinguin gesehen haben”, sagt das Känguru.
“Ja, in diesem Irish Pub hier”, sagt die Unternehmensberaterin und deutet auf ein Kneipenschildein paar Meter die Straße hinauf. Da steht: Moody’s.
“Moody’s ist wirklich ein Irish Pub?”, frage ich, “Ich dachte immer, das ist eine Ratingagentur.”
“Oh, es ist beides”, sagt die Unternehmensberaterin, “am Stammtisch drinnen sitzt ein alter Mann, der liest die Ratings im Bodensatz seiner Guinness-Gläser. In dem Wolkenkratzer hinter dem Pub werden seine Analysen dann ausgewertet und an die Banken und die Medien weitergeleitet.”
“Sowas in der Richtung hatte ich immer vermutet”, sage ich.
“Ich dachte immer, die würfeln”, sagt das Känguru.
“Nein, nein”, sagt die Unternehmensberaterin, “Das machen nur die von Standard & Poor’s.

Egal, wohin die beiden kommen, der Pinguin war bereits vor ihnen da, meistens in Gestalt eines neuen Firmencontrollers. Egal, ob das Känguru auf einer Verlagsparty von Random House (anlässlich der Fusion mit Penguin Books) 25 Regalmeter Bücher verkauft, je nach erwünschter Außenwirkung im Set ,Die Philosophen aus Sofies Welt‘ oder ,Die dicksten Klassiker‘, im entsprechendem Zustand der Zerlesenheit oder bei der Bank verlangt, man solle das Geld “blutig” anlegen – immer steckt hinter diesen oberflächlich betrachtet albernen Situationen messerscharfe Kritik. Kritik kann man auf vielerlei Weise üben, mit dem erhobenen Zeigefinger oder durch die Preisgabe an Lächerlichkeit und Wahnwitz. Wenn wir darüber lachen, verliert es seinen Schrecken und wir unsere Ohnmacht.

“Ja. Waffe”, sagt das Känguru, “Warum wird uns pausenlos von Terror, Krisen, Katastrophen, ja von der Apokalypse und den daraus resultierenden Sachzwängen und Alternativlosigkeiten erzählt? Ich sage euch, warum: Furcht gebiert Gehorsam! Wir werden beherrscht durch unsere Ängste. Das Verlachen aber zerbricht die Angst! Es befreit. Es ist eine Selbstermächtigung! Und das wird nur der Anfang sein.”

Die Känguru-Offenbarung steckt voller Wortwitz, voller popkultureller Anspielungen, die eine von Konsum und Medien durchwirkte Welt wirklichkeitsgetreu nachbilden. Viel satirische Verzerrung ist hier gar nicht mehr vonnöten, bekanntlich ist die Wirklichkeit zur besten Satire geworden. Andere Kabarettisten müssten nun eigentlich ihren Hut nehmen, nicht Marc-Uwe Kling. Er weiß die Umstände zu nutzen und regt darüber hinaus zu manch kleinem “Anti-Terror-Anschlag” an, den man dringend aus diesem Buch in die Wirklichkeit transferieren müsste. Marc-Uwe Kling wäre ein guter Kommunarde geworden. ,Die Känguru-Kommune’ muss erst noch geschrieben werden.

Als Freund der Literatur muss natürlich jeder Gleichgesinnte die literarischen Anspielungen im Text genießen. Hier nur eine kleine Auswahl:

Das Känguru ist schon wieder in sein Buch versunken.
“Was liest du da eigentlich?”, fragt Friedrich-Wilhelm.
“Eine Trilogie”, sagt das Känguru.
“Was sonst…”, sage ich.
“Die Welt ohne Eigenschaften”, sagt das Känguru. “Drei Romane komplett ohne Adjektive. Anstrengend.”

“Edward!”, herrscht der Kaiserpinguin seinen Bodyguard an. “NakNak! Beenden Sie diesen Aufruhr”
“Ich möchte lieber nicht”, sagt der uniformierte Pinguin.

“Der Flughafen!”, ruft der Kaiserpinguin verunsichert. “So hören Sie mir doch zu! Der Flughafen sorgt für den Flughafen. Für Wachstum! Der Wachstum sorgt für das Wachs..! Naknak. Für den Flug ..Starten Sie Ihren Flug – zehn Minuten – schauen Sie sich mal die großen Flughäfen an … Wer spielt denn hier am Teleprompter? Da stimmt doch was nicht! Wer…”
“Der Kaiserpinguin ist ja nackt!”, sagt der junge Brillenpinguin.

ERSTE HEXE:
“When shall we three meet again?
ZWEITE HEXE:
Puh. I’m so busy. Why don’t you call my office?
DRITTE HEXE:
I’m even busier. I have absofuckinglutely no time at all.

Es gibt nichts weiter zu sagen, außer:

Lest dieses Buch!
(Ernest Hemingway)

Marc-Uwe Kling: Die Känguru-Offenbarung, ullstein Verlag, 400 Seiten, 978-3548375137, 9,99 €

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