Graphic Novel, Rezensionen
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David Zane Mairowitz & Jaromir 99 – Das Schloss

David Zane Mairowitz ist ein amerikanischer Schriftsteller. Er studierte Englische Literaturgeschichte, Philosophie und Theaterwissenschaft. Neben seinen journalistischen Arbeiten hat er auch Theaterstücke, Kurzgeschichten und Hörspiele verfasst. Seit 1966 lebt Mairowitz in Europa, in Avignon und Berlin. Jaromír 99 (eigentlich Jaromír Švejdík) ist ein tschechischer Comic-Zeichner, Musiker, Maler und Sänger. Gemeinsam mit Jaroslav Rudiš veröffentlichte er die Graphic-Novel-Reihe um Alois Nebel. Diese Kafka-Adaption erschien im Knesebeck Verlag.

,Das Schloss‘ gehört zu den literarischen Fragmenten, die Kafka niemals beendete. Die Geschichte selbst ist schnell umrissen. Der Landvermesser K. kommt des Abends in einem verschneiten Dorf an, um dort seine Arbeit zu verrichten. Über dem Dorf, etwas erhöht, thront ein Schloss, das nicht nur die Häuser selbst, sondern auch die Menschen in ihnen zu überragen scheint. Das Dorf brauche keinen Landvermesser und habe auch niemanden gerufen. Als K.’s Assistenten auftauchen, wird plötzlich klar, dass es sich um völlig andere Mitarbeiter handelt, die von ihrem Handwerk nicht das Geringste verstehen. Um den Irrtum aufzuklären, müsste K. ins Schloss gelangen – doch da wird er bis zum Ende des fragmentarischen Romans niemals ankommen.

ehrfurcht

Kafka schafft in seinem Roman ein undurchdringliches Geflecht von Autoritäten. Von Boten, Geliebten, Angestellten und Dienern, die alle in der einen oder anderen Weise mit dem Schloss verbunden sind. Wahrhaft Verantwortliche für diesen bürokratischen Fauxpas lassen sich jedoch nicht finden, das Betreten des Schlosses ist nicht nur strengstens untersagt, sondern erweist sich als nahezu unmöglich. K. wird nicht vorgelassen, K. wird ferngehalten von den wirklich bedeutsamen Herren. Einzig ein Mann namens Klamm, Vorstand der schlosseigenen Kanzlei, rückt in greifbare Nähe. Doch auch mit ihm spricht er nicht. Lediglich durch ein kleines Loch in der Tür einer Schankwirtschaft kann er ihn sehen, wie er in einem Sessel sitzt, regunglos mit einem Zwicker auf der Nase und einer Zigarre in der Hand.

,Das Schloss’ ist vermutlich eines der beklemmendsten Werke Kafkas. Die Macht, die vom Schloss, seinen Bewohnern und nicht zuletzt auch von seinen dörflichen Handlangern ausgeübt wird, bleibt stets, wie üblich bei Kafka, unsichtbar. Man spürt das Unheil, die Korruption, die Undurchsichtigkeit als befände man sich in einem Spiegelkabinett gigantischen Ausmaßes. Und zweifellos ist Mairowitz und Jaromír mit ihren besonderen Illustrationen gelungen, genau dieses Schattenhafte in Bilder umzusetzen. Während andere Graphic Novels sehr detailreich gearbeitet sind, konzentriert man sich hier auf das Wesentliche, das Rudimentäre. Fast erinnert es an Scherenschnitte oder Schattentheater.

collage

An diesen Minimalismus in Stil und Gestaltung muss man sich erst gewöhnen. Ist man allerdings erst einmal in diese unübersehbare Welt eingetaucht, scheint es kaum eine andere Möglichkeit zu geben, das Geschehen anders darzustellen. So wie Kafka seine Personen oft nur andeutet, rasch skizziert, so wie sie jedem Leser aufgrund ihrer sehr zurückhaltenden Charakteristik immer wieder durch die Finger gleiten müssen, so hat Jaromír 99 sie gezeichnet. Kaum Mimik, kaum deutliche Gesichtszüge, oft sind die Augen das einzige, das in der Darstellung hervortritt. Aber weshalb soll es dem Leser auch anders ergehen als dem armen Landvermesser K., der sich von dieser unsichtbaren Obrigkeit mit überlangen Armen immer wieder beobachtet und gemaßregelt fühlt?

Das Ende entspricht, laut Zane Mairowitz’ Vorwort, nicht der gedruckten Fassung. Es findet sich in den Manuskripten Kafkas. Möglicherweise hätte diese Geschichte auch enorm unter einem abschließenden Ende gelitten, Aufklärung kann es für K. nicht geben. Jaromír und Mairowitz schaffen eine rundum gelungene Adaption, die durch beinahe expressionistische Schwarz-Weiß Bilder besticht und beeindruckt. Es kann nicht schaden, sich Kafkas Vorlage vorher zu Gemüte geführt zu haben, ein Muss ist es allerdings nicht. Die Kafka-Band, bestehend aus Jaroslav Rudiš, Jaromír 99 und renommierten tschechischen Musikern, präsentieren zusammen die Bilder des Comics in Verbindung mit Musik. In ihrer Beschreibung klingt das so:

Die Kafka Band hat zum Schloss jetzt einen Soundtrack komponiert. In den Texten mischt sich Deutsch mit Tschechisch, in der Musik Pop mit Folk und Rock mit der alten traditionellen böhmischen Schrammelmusik, so wie der durchgefrorene Landvermesser K. in dem Wirtshaus Zur Brücke begrüßt werden könnte.

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