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Horst Evers – Wäre ich du, würde ich mich lieben

Horst Evers (eigentlich Gerd Winter) ist ein deutscher Autor und Kabarettist. Aufgewachsen in Niedersachsen studierte er an der FU Berlin Germanistik und Publizistik. 1990 gründete er mit Freunden die Lesebühnenshow “Dr. Seltsams Frühschoppen“. 2002 gewann er den Deutschen Kabarettpreis, 2008 den Deutschen Kleinkunstpreis. Seine Texte werden regelmäßig auf Radio Eins von ihm vorgetragen. In gedruckter Form erscheinen sie im Rowohlt Verlag.

Inmitten einer schnelllebigen und wenig verlässlichen Zeit der permanenten Um – und Neugestaltung muss es Autoren geben, die uns Felsen in der Brandung sind. Autoren, von denen wir wissen, dass sie stets und ständig genau die Qualität produzieren, für die man sie so liebt. Autoren, die einen mutmaßlich niemals negativ überraschen würden, weil sie im Vollbesitz ihrer humoristischen Kräfte und eines erstaunlich sicheren Händchens für Pointen des Alltags sind. Autoren wie Horst Evers eben.

Vor meinem inneren Auge erscheint ein Bild aus der Vergangenheit. Ich kannte mal eine Katja. Mit Anfang zwanzig war ich einige Wochen mit ihr zusammen. Sie war sprunghaft, extrem temperamentvoll und wirklich anstrengend. “Wäre ich du, würde ich mich lieben”, hatte sie irgendwann gesagt, “weil sonst hält man das mit mir nicht lange aus.” Das stimmte. Obwohl ich es trotzdem nicht lange ertragen habe, hat mir ihr Rat später oft geholfen. Wenn etwas wirklich nicht mehr auszuhalten ist, hilft nur noch Liebe.

Auch mit seiner neuesten Textsammlung ‘Wäre ich du, würde ich mich lieben‘ beweist Horst Evers wieder einmal, dass er ein brillianter Beobachter des Alltäglichen ist. Einer, dem es in wenigen Sätzen höchst lässig und nonchalant gelingt, selbst der scheinbar belanglosesten Situation sozialen Mit-und Nebeneinanders (wie auswärtige, auf Fahrrädern in Schrittempo die Berliner Innenstadt begutachtende Besucher aus dörflichen Regionen) noch eine humoristische Note abzuringen. Es ist ganz egal, ob das genau so passiert ist, gleichgültig, ob Evers noch etwas dazu erfindet, das tägliche Leben Evers 2.0 überflügelt die Realität spielend. So zum Beispiel, als die Nachbarskatze Hildegard von Bingen stets tote Mäuse vor die Tür legt, die er, phantasievoll wie er ist, auch als potentielle Drohungen der Mafia verstehen könnte.

Ich hätte das Ganze bald wieder vergessen, wäre es nicht drei Tage später nochmal erheblich ekliger geworden. Da liegt nämlich erneut eine Maus auf der Fußmatte. Diesmal jedoch schon einigermaßen zerfetzt. In quasi vier Teilen läppert sie so über die Fußmatte. O guck mal, denke ich, die Mafia stottert!

Ob er in einem französischen Einkaufszentrum der Zukunft anderen Kunden einen Cappuccino aus dem fortschrittlichen Automaten hustet oder dem visionären Jungunternehmer eines Dschuhs-Hostels in Berlin die Chicorée-Salami aufschwatzt, die er alljährlich seit zwanzig Jahren von der Mutter einer Ex-Freundin zugesandt bekommt, stets ist es ein Vergnügen diesen, zugunsten der Komik, leicht verwandelten Situationen beizuwohnen. Horst Evers Texte sind so abgefasst, dass man denkt: Hey, sowas kann ich auch schreiben, um nach einigen erfolglosen Versuchen ernüchtert festzustellen, dass es dafür eben doch einen Horst Evers braucht. Denn wenige beherrschen den Ernst bei aller Komik (oder umgekehrt?) so brilliant wie er.

Ein Bekannter aus der IT-Branche erzählte mir kürzlich: Die erfolgversprechendste Lösungsstrategie für plötzlich auftretende, kaum erklärliche Anwendungsprobleme bei Computerprogrammen sei die sogenante Ehua-Routine. Ehua ist hier tatsächlich mal ein deutscher Begriff und steht für: “Einfach hoffen und abwarten”. Bei technischen Problemen sei dies der Heilungsansatz mit der mit Abstand höchsten Erfolgsquote.

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