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Mairowitz & Montellier – Der Process

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Chantal Montellier ist eine französische Autorin und Comiczeichnerin. Sie studierte an der Ecole des Beaux-Arts in St.Etienne und arbeitete als Lehrerin für Bildende Kunst. Montellier engagiert sich politisch.

David Zane Mairowitz ist ein amerikanischer Schriftsteller. Er studierte Englische Literaturgeschichte, Philosophie und Theaterwissenschaft. Neben seinen journalistischen Arbeiten hat er auch Theaterstücke, Kurzgeschichten und Hörspiele verfasst. Seit 1966 lebt Mairowitz in Europa, in Avignon und Berlin.

Übersetzt wurde der dieser Adaption zugrunde liegende Text von Anja Kootz, erschienen ist er im Knesebeck Verlag.

Man könnte fast meinen, wir erlebten dieser Tage sowas wie ein Kafka-Revival. Die Veröffentlichen häufen sich, das Interesse an seinem Schaffen ist bis heute ungebrochen, wenn es auch die Leserschaft spaltet. Anders als es Mairowitz gemeinsam mit Robert Crumb getan hat, wird hier nun mit Montellier ein bestimmtes Werk Kafkas in den künstlerischen Fokus gerückt. Es ist, neben der Verwandlung, vermutlich das bekannteste des tschechisch-deutschen Schriftstellers. Der Prozess.

Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne, dass er etwas Böses getan hatte, wurde er eines Morgens verhaftet. So beginnt Kafkas posthum veröffentlichter Roman rund um den Prokuristen Josef K., der sich unversehens in den Fängen einer justiziellen Maschinerie wiederfindet, die er unmöglich überblicken kann. Eines Tages stehen diese beiden Wächter in seinem Zimmer und verkünden seine Verhaftung. Was er getan habe und wann ihm der Prozess gemacht würde, könnten sie nicht sagen.

process2Zwar wird er in ein heruntergekommenes Viertel gebeten, um dort befragt zu werden, doch die hierarchischen Strukturen dieses gerichtlichen Schreckgespenstes durchdringt er nicht. Nie gelangt er zu denen, die wirklich verantwortlich für seine Verhaftung sind und dementsprechend auch seinen Freispruch bewirken könnten. Er wirft sich in die Arme zahlreicher Frauen, sucht in ihnen gleichermaßen Schutz wie sie ihn abstoßen. Es ist kein Geheimnis, dass Kafka sein Leben lang ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Frauen hatte, im Prozess spiegelt sich das besonders deutlich.

Ist der Roman als solcher schon düster genug, schafft Montellier durch ihre stark kontrastierten und teils beinahe holzschnittartigen Illustrationen eine Atmosphäre, die zwischenzeitlich so symbolüberladen ist, dass man sich unweigerlich an einen schlechten Traum erinnert fühlt. Viele detaillierte Zeichnungen von Körperteilen, von Augen und Händen lassen viele Szenen gehetzt wirken, fast wie im Delirium. Es gelingt, das Holzschnittartige von Kafkas Figuren, die dem Leser immer auf eine eigentümliche Art fremd bleiben, in Bilder umzusetzen.

processDurch viele Bilder geistern der Tod und eine Menge Uhren. Josef K.s Zeit läuft ab, von Seite zu Seite. Die überdeutlich ausgestalteten Ausrufezeichen und Fragezeichen in den Panels lassen das Ganze ein bisschen an Kraft verlieren, ein bisschen ins Cartooneske driften, das nicht so ganz zu der alptraumhaften und surrealen Stimmung der restlichen Zeichnungen passen mag. Es ist natürlich kein Zufall, dass Protagonist Josef K. wie Kafka aussieht, der biographische und emotionale Anteil an seinen Werken ist unleugbar, unübersehbar. Keine Erzählung lässt sich tatsächlich von ihm und seinem Empfinden entkoppeln, oft schrieb Kafka nachts wie ein Besessener.

Montelliers und Mairowitz’ Adaption von Kafkas Werk ist gelungen, wenn sie stilistisch bisweilen auch etwas gewöhnungsbedürftig daherkommt. Das Tempo ist rasant und nach Beendigung der Lektüre fühlt man sich wie nach einer hektischen Irrfahrt, einer kurzen wahnhaften Episode, die so schnell endet wie sie begonnen hat. Für treue Anhänger und Kafkainteressierte ist es zweifellos einen Blick wert und immer wieder in positiver Weise überraschend, wenn Kafkas sprachlicher Stil seine zeichnerische Entsprechung findet.

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