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Marc-Uwe Kling – Die Känguru-Chroniken & Das Känguru-Manifest

Marc-Uwe-Kling-Die-Kaenguru-Chroniken

Heinrich, mir graut vor dir.” – Thomas Mann

Marc-Uwe Kling ist (Klein)künstler. Er lebt in Berlin Kreuzberg und seine Oma heißt Herta. Oder Gerda? Marc-Uwe teilt seine kleine Wohnung mit einem kommunistischen Känguru. Es war im Vietnamkrieg. Viel wurde schon geschrieben über diese ganz besondere Wohngemeinschaft, die dem Herrn Kling niemand so recht abnehmen will, dabei ist es der satirisch durchdachteste zoologisch-humane Zusammenschluss seit Flipper, Lassie, Free Willy und Kleiner Onkel. Und die waren alle noch viel unpolitischer!

„Was machst du da?“, fragt das Känguru. Ich halte inne. „Siehste doch“, sage ich. „Du seilst dich mit Bergsteigerausrüstung vom Balkon ab?“ „Eben“, sage ich und lasse mich noch ein Stück weiter hinunter.„Also gut“, sagt das Känguru. „Ich formuliere meine Frage um: Warum machst du das?“ „Na, ich will nach unten.“ „Ach so“, sagt das Känguru. Am Balkon der Nachbarin von unten bleibe ich fast an den Blumenkästen hängen. Das Känguru beugt sich über unser Balkongeländer. „Verzeih, wenn das Folgende vielleicht sehr dumm ist – aber darf ich fragen, warum du nicht einfach die Treppe benutzt?“„Ich will jeden Tag etwas Besonderes machen“, sage ich. „Denn etwas Besonderes a day keeps the blues away. Das ist meine Philosophie.”„Ich dachte, deine Philosophie ist, dass du dir vornimmst, nichts zu machen.“ „Ich habe das noch weiterentwickelt. Jetzt nehme ich mir nicht einmal mehr was vor.“„Daran gemessen, ist diese Aktion aber reichlich extravagant, oder nicht?“

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Es ist nahezu unmöglich, alle wichtigen Anekdoten widerzugeben. Mitunter versteckt sich der Wortwitz in ganz simplen Wendungen, die wir täglich benutzen, manchmal ist es die ironische Überzeichnung – wie in der Post-Moderne üblich, alles, was noch ernst gemeint ist, ist ja mindestens 60er! -, jeder Anekdote aber ist diese Nonchalance gemein, mit der sie vorgetragen ist. Marc-Uwe Kling tritt die Flucht in den Humor an, aber keinesfalls in den Klamauk! Er bedient sich alltäglicher Situationen, um sie mithilfe des Kängurus zu überspitzen, oftmals ist das aber schon gar nicht mehr nötig, weil die Realität selbst sich schon mühelos immer weiter der Satire annähert.

Tjaja,” sage ich. “Als ich zum ersten Mal von diesem Preis gehört habe [Anmerkung: Internationaler Gaddafi-Preis für Menschenrechte], war ich geschockt. Ich dachte: Ich bin überflüssig, denn es ist schlicht unmöglich, die Wirklichkeit noch satirisch zuzuspitzen. Ich gebe auf. Wir wünschen Marc-Uwe Kling alles Gute auf seinem weiteren beruflichen Lebensweg. Aber dann habe ich wieder den klassischen Problemlösungsweg gewählt und nicht weiter darüber nachgedacht.” “Wenn Orwell noch gelebt hätte, als die Big-Brother-Show auf Sendung ging…”, sagt das Känguru. “Fast könnte man glauben, das Einzige, was Satire bewirkt, ist, die Leute auf dumme Ideen zu bringen.” “Der Tepco-Preis für den Ausbau von erneuerbaren Energien”, sage ich. “Die Erich-Mielke-Medaille für den Datenschützer des Jahres”, sagt das Känguru. “Der Milton-Friedman-Award für soziale Gerechtigkeit.” “Der Johannes-Paul-der-Zweite-Orden für die Eindämmung von AIDS.” “Der Gerhard-Schröder-Scheck für die Entflechtung von Politik und Wirtschaft.” “Der Axel-Springer-Preis für Qualitätsjournalismus”, sagt das Känguru. “Den gibt es tatsächlich”, sage ich. “War ja klar.”

Das Känguru gründet eine Anti-Terror-Einheit, “gegen den Terror der Schulen und Fabriken, der Medien und der Regierung, der Leitkultur und des Lobbyismus, der Religion und der Wirtschaft“, das Asoziale Netzwerk. Wenn alles, das den Stempel sozial trägt – die soziale Marktwirtschaft und soziale Netzwerke, die in ihrer natürlichen Ausprägung von Sozialkontakt vermutlich soweit entfernt sind wie die CDU von Christlichkeit – muss der Gegenpol asozial sein! So sehr ich Freund und Anhänger des klassischen Politkabaretts à la Pispers, Rether & Schramm bin, Marc-Uwe Kling beleuchtet die Dinge nochmal auf eine ganz andere Weise, die einfach herrlich und trotz allen Humors dennoch soviele wichtige politische Themen aufgreift, das man sich über beide Bücher wahrscheinlich stundenlang unterhalten könnte. Unlängst fragte man Herrn Kling angeblich, ob er nicht verbittert sei, wenn er sich immer mit diesen ganzen ernsten Themen auseinandersetze. Er sei verbittert, schreibt er als Chronist des Kängurus und der gemeinsamen Wohnverhältnisse. Niemand kann es ihm verdenken. Aber er hat den denkbar galantesten Weg gewählt, diese Verbitterung nach außen zu tragen! Bitte mehr von diesem hochintelligenten Mann und seinem Känguru, die mich zwei Tage lang abwechselnd lachend und schluchzend über einen gesellschaftlichen Abgrund gejagt haben!

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