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Daniela Dröscher – Pola

 

 

Daniela Dröscher ist eine deutsche Autorin. Sie studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie. Sie veröffentlichte Zeitschriften und Anthologien und studiert seit 2008 Szenisches Schreiben. Ihr erster Roman war Die Lichter der George Psalmanazar, eine Doppelbiographie über Samuel Johnson und George Psalmanazar.  Sie erhielt zahlreiche Preise, u.a. den Anna-Seghers-Preis und den Koblenzer Literaturpreis.

Pola Negri (eigentlich Barbara Apolonia Chałupiec) war eine polnische Schauspielerin. Bekannt machte sie vor allem der Stummfilm. Sie spielte  in vielen Produktionen des deutsch-amerikanischen Regisseurs Ernst Lubitsch, u.a. Carmen & Madame Dubarry. Nachdem der Tonfilm langsam den Stummfilm ablöste, begann Negris Stern zu verglühen und genau hier setzt Daniela Dröschers Roman ein.

Negri bewegte sich in den besten Kreisen Hollywoods und war bekannt mit Schauspieldiven wie Greta Garbo und Marlene Dietrich, doch ihr stark ausländischer Akzent, der im Stummfilm stets keine Rolle spielte, sorgte nun für eine Art Karriereflaute. Sie hatte schon, bevor sie aufgrund eines erfolgversprechenden Vertrags mit Paramount nach Amerika emigrierte, in Deutschland große Erfolge gefeiert und  so schob der Präsident von Metro Goldwyn Mayer sie wieder genau dorthin. Ihre Zeit in Amerika sei vorüber, allerdings biete ihr die UFA ein Engagement.

Nicht zuletzt aufgrund ihrer aufsässigen und selbstgerechten Art wird die Diva aus dem Dunstkreis der großen Filmgesellschaften Hollywoods entfernt. Sie droht etwas auszuplaudern, das hinter verschlossenen Türen ablaufen soll und man droht ihr, ihre Herkunft offenzulegen. Denn Negri wächst arm und als Tochter eines Zigeuners auf, der immer wieder durch kleine Diebstähle auffällig wird. Das ziemte sich nicht Anfang der Dreißiger Jahre in Hollywood, ganz abgesehen von den Folgen, die eine Offenlegung dieser Tatsachen auf ihr Image hätte.

So geht sie, mehr widerwillig, zurück nach Deutschland, wo sich seit ihren großen Erfolgen um 1918 eine Menge verändert hat. Adolf Hitler ist Reichskanzler und die Kulturindustrie liegt fest in der Hand des Propagandaministers Joseph Goebbels. Wer sich seiner Rollen und des staatlichen Schutzes gewiss sein will, teilt mit ihm wenigstens für eine Nacht das Bett. Man engagiert Pola für den Film Mazurka, der in Deutschland mittelmäßigen bis guten Erfolg hat. Sie spielt eine Nachtclubsängerin, die einen Mord begeht, um ihre Tochter vor einem Unhold zu bewahren, der ihre Ehe zerstört hat.

Bekannt wurde Pola Negri allerdings weniger durch ihre überragenden schauspielerischen Leistungen, sondern durch ihre Männer, zu denen Charlie Chaplin und Rudolph Valentino gehörten. Auch im Buch Dröschers findet sich eine schöne Rückblende über das Zusammenleben mit Charlie Chaplin, der seinen Text stets in vollkommener Stille einzustudieren pflegte und sowohl seinem Personal als auch Pola in dieser Zeit das Sprechen untersagte. Bevor er sich zum Essen mit jemandem verabredete, studierte er stets das Wörterbuch und lernte Definitionen auswendig, mit denen er das Klischee des geistig eher schlecht bestückten Schauspielers revidieren konnte.

Es war ein alter Witz, dass den Gehirnchirurgen in Hollywood nicht besonders viel Material zur Verfügung stand, um ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

Ich muss gestehen, dass mir Pola Negri vor Lektüre dieses Romans nichts sagte. Ich hatte mich nie mit der Stummfilmära beschäftigt, dementsprechend war mir ihr Name nicht geläufig. Das ist bei diesem wunderbaren Roman aber auch gar nicht zwingend notwendig. Daniela Dröscher entführt uns in die Dreißigerjahre, in der Zeit vor dem Krieg, in die Blütezeit Hollywoods und vor allen Dingen hinter die Kulissen. Wir erfahren, dass die stets so leuchtenden neun Buchstaben, die das Zentrum der westlichen Filmindustrie markieren, nur deshalb so weiß sind, weil sie regelmäßig von Taubenexkrementen bedeckt werden. Und so steckt hinter einer schönen Fassade auch in Pola Negris Leben eine Menge Dunkelheit. Dröschers Sprache ist eine höchst angenehme und der Zeit angepasste, es liest sich flüssig und – ganz nebenbei – erlangt man einen Blick ins Filmgeschäft der Dreißiger, in Amerika und in Deutschland. Hiermit sei also eine deutliche Empfehlung ausgesprochen! Pola lohnt sich!

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